Viadrina Mediation Hub im Auswärtigen Amt

Forschungs- und Transferprojekt zum deutschen Mediationsengagement

Forschungs- und Transferprojekt zum deutschen Mediationsengagement

Gemeinsam mit dem Auswärtigen Amt betreibt das CPM seit 2018 den Viadrina Mediation Hub, ein in der Abteilung S Krisenprävention, Stabilisierung und Konfliktnachsorge des Auswärtigen Amts eingebettetes Forschungs- und Transferprojekt.

Der Hub führt das praktische außenpolitische Handeln und die methodisch orientierte Friedens- und Konfliktforschung in einem agilen wissenschaftlichen Begleitungsformat zusammen. Forscher:innen der Viadrina und Entscheidungsträger:innen der politischen Praxis identifizieren dort gemeinsam Stellschrauben, an denen sich das Gelingen von Konfliktvermittlung im deutschen Friedensengagement entscheidet, und entwickelt konkrete Vorschläge zur Optimierung.

Ziel des Hubs ist es

  1. die konzeptionellen und methodischen Voraussetzungen für wirksame Mediationseinsätze im deutschen Kriseninterventions- und Stabilisierungsportfolio zu identifizieren,
  2. das vermittlungsmethodische Instrumentarium kontinuierlich für die politische Praxis weiterzuentwickeln und
  3. Optimierungsoptionen für das konkrete Vorgehen in Konfliktszenarien einzuspeisen.

Neben dem durchgehenden Austausch zwischen CPM-Forscher:innen, dem S03 Peace Mediation Team und anderen AA-Abteilungen leistet der Hub unter anderem methodische und konzeptionelle Unterstützung sowie Inhouse-Trainings und Coachings für diplomatisches Personal.

Aus der wissenschaftlichen Begleitung extrahiert der Hub relevantes Entscheidungswissen. Damit wird zum einen erforscht, wie die Methodik der interessenorientierten Mediation für die überfordernd komplexen Rahmenbedingungen heutiger Konflikte (von Fake News über Multi-Level Deal Making bis globale Systemkonkurrenz) angepasst oder neu konzipiert werden muss. Zum anderen wird erforscht, welche Strategien der Problemlösung und Entscheidungsfindung es erlauben, ohne falsche Kompromisse durch die zahlreichen politischen Sachzwänge und unlösbar erscheinenden Dilemmata des Feldes zu navigieren. Die Ergebnisse werden in unterschiedlichen Formaten mit Akteuren getestet und in die kontinuierliche Beratung zurückgespielt.

Der Mediation Hub ist eng vernetzt mit dem SSR Hub des Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik Hamburg und dem RSF Hub der Freien Universität Berlin.

Beispielhafte Aktivitäten des Mediation Hubs:

Seit 2008 begleitet der Viadrina Mediation Hub Engagements des Auswärtigen Amts im Bereich Konfliktvermittlung und Krisendiplomatie.

Zum einen unterstützen die Forscher:innen des Hubs das Auswärtige Amt bei internen Austausch, Klärungs- und Strategieprozessen. Sie nutzen dafür Formate wie Werkstattgespräche und Lessons-Learned-Workshops.

Zum anderen berät und begleitet der Hub das Auswärtige Amt in methodisch herausfordernden Vermittlungsprozessen. Ziel ist hier, prozessdurchführende deutsche Diplomat:innen und zivilgesellschaftliche Akteur:innen dabei zu unterstützen, ihre Vermittlungstätigkeiten effektiver und verantwortlicher zu gestalten.

 

Der von Russland geführte Krieg in der Ukraine polarisiert die öffentlichen Debatten zwischen scheinbar gegensätzlichen Zielen von Abschreckung und Dialog. Diese Diskussionen sind allerdings von zahlreichen Annahmen geprägt, die den Optionenraum politischen Handelns im Ergebnis auf die sicherheitspolitische Dimension begrenzen und obwohl die implizite Priorisierung von militärisch/sicherheitspolitischen gegenüber zivilen/friedenspolitischen Maßnahmen den Grundüberzeugungen vieler widerspricht, wird sie für alternativlos gehalten.

Vor diesem Hintergrund luden die Berghof Foundation und das Center for Peace Mediation unter Beteiligung des IFSH Hamburg im Mai 2022 Außen- und Sicherheitspolitiker:innen der Regierungsfraktionen zu einem Expert:innen-Austausch ein. Dabei standen sowohl das konkrete Vorgehen mit Blick auf den Krieg in der Ukraine als auch die grundsätzliche Richtungsbestimmung im Rahmen der Nationalen Sicherheitsstrategie im Fokus. Der Austausch führte zu einem Positionspapier der wissenschaftlichen Akteur:innen mit Bausteinen für das Zusammendenken von Dialog und Härte sowie Frieden und Sicherheit, welches die Teilnehmenden im Nachgang erhielten.

Im Jahr 2022 führte der Mediation Hub mit Expert:innen aus dem Auswärtigen Amt (AA) und dem Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) eine Reihe von Gesprächen und Interviews zum Engagement der Bundesregierung in Afghanistan durch.

Das gemeinsame Interesse richtete sich auf die Gründe für die nicht bewältigte Komplexität, die mangelnde Steuerbarkeit und das abrupte Ende wesentlicher Teile des Engagements. Ziel war es (1) Erkenntnisse für das künftige Engagement der Bundesregierung in fragilen Kontexten herauszufiltern, (2) Ideen für die strategische Weiterentwicklung des operativen Zusammenspiels von Ministerien zu entwickeln und (3) diese auf Relevanz für den Prozess der Nationalen Sicherheitsstrategie zu prüfen.

In Zusammenarbeit mit verschiedenen staatlichen Trägern und wissenschaftlichen Akteur:innen trägt das Center for Peace Mediation auf organisatorischer und inhaltlicher Ebene zum jährlichen dreitägigen Seminar „Ressortgemeinsames Handeln in fragilen Kontexten“ für Nachwuchskräfte der Ressorts bei. Hierbei treffen sich Nachwuchskräfte des Auswärtigen Amts und des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, der Führungsakademie der Bundeswehr, des Bundesverteidigungsministeriums und des Bundesinnenministeriums zu einem Seminar über sicherheitspolitische Themen sowie zu ressortübergreifender Zusammenarbeit. 2022 organisierte das CPM organisierte die Veranstaltung gemeinsam mit dem RSF Hub und dem SSR Hub und übernahm hierbei die Moderation einzelner Tage und die Vorstellung des Instruments "Friedensmediation" im Werkzeugkasten des ressortgemeinsamen Handelns.

Deutschland engagiert sich über Ressortgrenzen hinweg in fragilen Kontexten. Häufig arbeiten dabei Kolleg:innen aus verschiedenen Ministerien, aus Bundeswehr, Polizei und nachgeordneten Bereichen und Durchführungsorganisationen an unterschiedlichen Enden des gleichen Problems. Das Pilotprojekt "Interministerielle Peer Groups" bot einen Raum, sich regelmäßig informell über eigene Erfahrungen an diesen unterschiedlichen Enden auszutauschen und gemeinsam exemplarische Lösungen für konkrete individuelle Herausforderungen zu entwickeln.

Unterstützt und begleitet wurden die inhaltlich unterschiedliche ausgerichteten Peer Groups durch geschulte, mit dem jeweiligen Feld vertraute Moderator:innen. In den gemeinsamen Treffen standen individuelle Kernanliegen der Teilnehmenden im Fokus, in denen sich Kernfragen des ressortübergreifenden, teils auch abteilungsübergreifenden, Zusammenarbeitens spiegeln: Was hat aus Sicht der beteiligten Bereiche jeweils Priorität? Wo gibt es Überschneidungen, wo hakt es? Mit welchen Dilemmata ringen wir? Und wie können Stränge/Akteur:innen noch besser zusammenspielen?

Der Mediation Hub leitete das Pilotprojekt und die Abstimmung mit den zuständigen Projektpartner:innen. Anne Holper und Anna Dick moderierten die Diskussion und den Erfahrungsaustausch der Peer Group "Beiträge zur Konfliktlösung" mit einem Schwerpunkt auf formelle Track I / II Mediation und Wechselwirkungen mit weiterem Engagement aus Entwicklungszusammenarbeit und Friedenseinsätzen.

Gemeinsam mit der Berghof Foundation lud das Center for Peace Mediation im August 2021 Expert:innen aus dem Auswärtigen Amt, der EU, den Vereinten Nationen, der Wissenschaft und der Zivilgesellschaft aus dem Bereich der Krisen- und Friedensmediation zu einem vertraulichen Roundtable in Berlin ein. Der Austausch fand vor dem Hintergrund des militärischen und sicherheitspolitischen Versagens in Afghanistan statt, ging aber thematisch weit darüber hinaus.

Ziel war es, einen möglichst filterlosen, zukunftsgerichteten Austausch zwischen den Mediationsverantwortlichen der diversen Organisationen anzuregen, um innovative, gut aufeinander abgestimmte Vorschläge für eine klar definierte, stärkere Vermittlungsrolle Deutschlands in der internationalen Friedensmediation in die inhaltlichen Sondierungen der nächsten Bundesregierung einspeisen zu können. Die Berghof Foundation veröffentlichte einen Einblick in die Ergebnisse

 

Zum Viadrina Logbucheintrag

Im Sammelband „Friedensmediation in der deutschen Außenpolitik“ wertete der Mediation Hub Ergebnisse und Erkenntnisse aus der Zusammenarbeit mit dem Auswärtigen Amt aus.

Der Band ist dem Feld der Friedensmediation gewidmet, das sich international seit über einem Jahrzehnt und in Deutschland seit den 2000er Jahren rasant entfaltet, profiliert und professionalisiert hat. Erstens zeichnet er die tatsächlichen politischen Entwicklungen kritisch nach und bettet sie konzeptionell und kontextuell ein, auch im internationalen Vergleich. Zweitens bietet der Band eine Auswahl der „Fact Sheets Friedensmediation“, die in den vergangenen Jahren im Zusammenwirken zwischen dem Auswärtigen Amt und der Initiative Mediation Support Deutschland (IMSD) erarbeitet wurden. Drittens gibt der Band konkrete Anstöße, wie Deutschlands Profil in der Friedensmediation in die politische Praxis übersetzt werden kann.

Der Kreis der Autor:innen setzt sich aus Wissenschaftler:innen, Praktiker:innen sowie Repräsentant:innen relevanter Ministerien und Organisationen zusammen. Durch die Kombination dieser Perspektiven entsteht eine aussagekräftige Momentaufnahme zum Thema Friedensmediation in der deutschen Außenpolitik, die stets in einem Spannungsfeld aus Macht und Methodik agieren muss.

Zur Publikation

Aus der Kooperation zwischen der Initiative Mediation Support Deutschland (IMSD) - zu dessen Gründungsmitgliedern das Center for Peace Mediation gehört - und dem Auswärtigen Amt sind Maßnahmen zum Kapazitätsaufbau und zur Sensibilisierung sowie Formate zum fachlichen Austausch hervorgegangen.

Hierzu zählt auch das „Konzept Friedensmediation“, das den deutschen Ansatz in der Friedensmediation ausbuchstabiert, ihn in die Stabilisierungsansätze des Auswärtigen Amts einbettet und Formen des Engagements transparent macht. Der Viadrina Mediation Hub hat die Entwicklung des Konzepts inhaltlich begleitet.

2013 bildeten die Berghof Foundation, CSSP - Berliner Zentrum für Integrative Mediation, inmedio, das ZIF - Zentrum für Internationale Friedenseinsätze und das Center for Peace Mediation eine gemeinsame Beratungsgruppe zur Frage des deutschen Beitrags zu Friedensmediation und Mediation Support. Unter dem Dach der sogenannten Initiative Mediation Support Deutschland (IMSD) entwickelten sich Kooperationsprojekte (z.B. The Common House: Unterstützung von Dialogprozessen in Odesa, Ukraine), aber auch ein reger Austausch mit verschiedenen Fraktionen und dem Auswärtigen Amt. Die Gruppe bringt Diskussionspunkte in den Unterausschuss "Zivile Krisenprävention, Konfliktbearbeitung und vernetztes Handeln" des Deutschen Bundestages ein und unterstützt die Professionalisierung der Friedensmediation in der deutschen Außenpolitik durch verschiedene Aktivitäten.

So wurden in regelmäßigen Strategietreffen mit Vertreter:innen verschiedener Abteilungen des Auswärtigen Amtes Entwicklungen in diesem Bereich diskutiert und gemeinsame Initiativen zur Professionalisierung der Friedensmediation in der deutschen Außenpolitik entwickelt. Eine erste gemeinsame Veranstaltung war die Konferenz "Germany as Mediator - Peace Mediation and Mediation Support in German Foreign Policy" in der deutschen Außenpolitik im November 2014. Es folgten ein Mediation Expert Meeting ("Identifying Mediation Entry Points") im Oktober 2015 und eine Konferenz im Juni 2016 ("The OSCE as Mediator. Instruments - Challenges - Potentials"). Lars Kirchhoff und Julia von Dobeneck moderierten ein Panel zum Thema “Protracted conflicts and their Multi-Dimensionality for Mediation: Kick-off Examples from the Transdniestrian Settlement Process”.

Seit 2016 entstand in Kooperation zwischen der IMSD und dem Auswärtigen Amt die Fact Sheet-Reihe zu Grundbegriffen und Konzepten im Bereich Friedensmediation. Weiterhin veröffentlicht die IMSD bedarfsorientiert Stellungnahmen und Positionspapiere.

Dr. Anne Holper | Prof. Dr. Lars Kirchhoff